danke 02/2018

in der Runde nicht allein. Es ist das Alltäg­ liche, an dem Trauernde oft scheitern. Den Rasen mähen, obwohl das immer der Ehemann gemacht hat. Kindergeburtstag feiern, obwohl das eigene Kind dazu keine Gelegenheit mehr hat. Krimis im Fernsehen anschauen, obwohl so viele Menschen in der Realität sterben. „Das klingt verrückt“, sagt die 60-Jährige. „Jemand, der noch nie einen Men- schen verloren hat, kann sich das wahrscheinlich gar nicht vorstellen.“ Kein Wunder also, dass Trauernde in der Ge- sellschaft immer noch häufig auf Unverständnis treffen. „Trauer hat sich zu einem Tabuthema entwickelt“, bestätigt Conny Kehrbaum, Leiterin des Malteser TrauerZentrums Oberberg. „In un- serer Leistungsgesellschaft haben Krankheit, Tod und Leid keinen Platz mehr.“ Die Folge: Die meisten Menschen wissen nicht, wie sie mit Be- troffenen umgehen sollen. Unsicherheit, Angst und Hilflosigkeit machen sich breit. Das soziale Umfeld ist gefragt Eine Erfahrung, die auch Raphael Glöckner ge- macht hat. „Mein Sohn und meine Mutter sind kurz nacheinander verstorben. Viele Menschen aus meinem Umfeld wussten danach nicht, wie sie mit mir umgehen sollten.“ Sie versuchten es mit gut gemeinten Ratschlägen, Kontaktvermei- dung und Totschweigen des Themas. Auch dar- um verlor der 41-Jährige in der bislang schwie- rigsten Zeit seines Lebens nicht nur Mutter und Sohn, sondern auch die Hälfte seiner Freunde. „Das tut weh. Aber warum soll ich als Trauernder mich dafür entschuldigen, dass mir das alles pas- siert ist? Ich muss auch lernen, damit klarzukom- men. Da kann ich nicht stark für andere sein.“ Tatsächlich unterschätzen die meisten Men- schen, wie überwältigend das Gefühl von Trauer sein kann. Alles andere erscheint in seiner Prä- senz unwichtig. „Durch den Verlust eines gelieb- ten Menschen wird man auch selbst aus dem Leben gerissen und muss sich dann Schritt für Schritt wieder zurückkämpfen“, berichtet Glöck- ner. Dass das nicht von heute auf morgen ge- lingt, sollte eigentlich selbstverständlich sein. „Trotzdem erwartet die Gesellschaft, dass man nach wenigen Wochen ganz der Alte ist, lächelt und reibungslos funktioniert.“ Vor allem deshalb besteht die Aufgabe von einer hauptamtlichen Mitarbeiterin und zehn ehrenamtlichen Trauerbegleitern am Trauer­ Zentrum Oberberg vor allem in einem: Zuhö- ren. Denn für viele Trauernde ist das Zentrum der einzige Ort, an dem sie wirklich sie selbst sein können – mit all ihren Gefühlen, all ihren Eigen- heiten und all ihren Problemen. „Den größten Teil unserer Arbeit machen Ein- zelbegleitungen aus“, erläutert Vera Richling, eh- renamtliche Trauerbegleiterin am TrauerZent- rumOberberg. Auch wenn diese zeitlich begrenzt werden, bekommen Betroffene dennoch keinen Druck zu spüren. „Bei einem so persönlichen Thema wie der Trauer braucht es Zeit, bis man Vertrauen gefasst hat und bereit ist, sich zu öff- nen.“ Sechs bis acht einstündige Sitzungen sind daher das Minimum. Diese finden zunächst ein- mal wöchentlich statt. Anschließend wird die Frequenz nach und nach reduziert. Der Grund: Die Trauernden sollen lernen, an sich zu glau- ben, und sich im Alltag auf ihre eigenen Ressour- cen verlassen. „Dafür erarbeiten wir gemeinsam mit ihnen Trauerstrategien, die sie bei Bedarf an- wenden können.“ Allein wäre dieser Schritt für viele Trauernde kaum zu schaffen. „Es ist normal, dass man nach dem Tod eines geliebten Menschen nur 12 »danke 2/18 HELFEN

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